Tom Grimm
Gothic
Das offizielle Kochbuch
Kurzbewertung
Rezeptvielfalt:
Idee & Originalität:
Gestaltung & Layout:
Verständlichkeit & Struktur:
Spaßfaktor beim Nachkochen:
Gesamtbewertung:
Die Gothic-Reihe zählt für mich zu den prägendsten deutschen Rollenspielen überhaupt. Seit dem ersten Teil im Jahr 2001 hat sie sich, nicht nur bei mir, mit ihrer Spielmechanik, der düsteren Atmosphäre und dem rauen Charme einen festen Platz in der Gaming-Geschichte erkämpft. Während andere Rollenspiele auf Hochglanz und Heldenpathos setzen, war Gothic immer ein bisschen dreckiger und direkter. Die Welt von Myrtana ist kein Ort für strahlende Ritter, sondern für Überlebenskünstler und Söldner. Genau diese Authentizität hat die Reihe zum Kult gemacht und zur perfekten Vorlage für ein Kochbuch, das sich nicht mit Hochglanzküche schmückt, sondern mit rustikaler, herzhafter Kulinarik.
Wie bringt man also die raue, fleischlastige Küche der Gothic-Welt auf den heimischen Teller und zwar so, dass sie schmeckt und funktioniert? Das Buch beantwortet diese Frage mit einer Mischung aus Kreativität, Schwarzem Humor und Bodenständigkeit. Die Rezepte sind keine bloßen Spielereien, sondern tatsächlich nachkochbar – und lecker.
„Gothic: Das offizielle Kochbuch“ erschien 2024 zu einem idealen Zeitpunkt: kurz vor dem Remake des ersten Teils, das viele Fans sehnsüchtig erwartet haben. (Information am Rand: Ursprünglich war der Release des Gothic Remake für 2024 oder spätestens 2025 vorgesehen. Doch laut aktuellen Informationen von THQ Nordic und mehreren Gaming-Portalen wurde der Termin auf Anfang 2026 verschoben.) Das Buch richtet sich nicht nur an Nostalgiker, sondern auch an alle, die Lust haben, die Spielwelt einmal mit Messer und Gabel zu erkunden. Mich hat vor allem die Idee gereizt, ein Kochbuch zu lesen, das nicht nur Rezepte liefert, sondern eine Spielwelt kulinarisch interpretiert. Die Verbindung von Fantasy und Küche ist selten so liebevoll umgesetzt. Mein erster Eindruck war durchweg positiv: Das Buch wirkt hochwertig, die Gestaltung ist atmosphärisch und die Auswahl der Rezepte überraschend vielseitig.
Inhalt
Der Leser wird von Snaf begleitet: dem Kultkoch aus dem Alten Lager, der mit frechem Humor durch die Rezepte führt. Snaf ist kein Küchenphilosoph, sondern ein Pragmatiker mit Herz und Schnauze. Seine kurzen Einleitungen zu den Rezepten sind pointiert, witzig und voller Informationen im Bezug auf die Gothic-Welt. Die kulinarische Reise spielt in Myrtana, dem Minental und auf Khorinis, also überall dort, wo Spieler einst Abenteuer erlebten, werden nun Gerichte serviert. Die Struktur des Buches ist klar gegliedert: Von Vorspeisen („Für den hohlen Zahn“) über Suppen („Ab in den Kessel“) und Hauptgerichte („Was Richtiges“) bis hin zu Desserts („Was auf die Hüften“) und Getränken („Hoch die Becher“) wird jeder Bereich abgedeckt. Besonders gelungen ist die Verknüpfung der Rezepte mit der Spielwelt, nicht nur durch Namen und Zutaten, sondern auch durch die Bildsprache und die erzählerischen Elemente.
Meine Meinung
Der Schreibstil ist humorvoll und locker, besonders die Einleitungen, die es vor jedem neuen Rezept gibt und die von Snaf erzählt werden, bringen Charme und Atmosphäre. Die Rezepttexte sind klar und strukturiert, sodass auch Hobby- und vor allem Anfängerköche gut damit arbeiten können. Zwar gibt es keine klassischen Charaktere, aber Snaf als Erzähler verleiht dem Buch Persönlichkeit. Die Handlung wird durch die thematische Gliederung ersetzt: Kategorien wie „Für den hohlen Zahn“, „Ab in den Kessel“ oder „Hoch die Becher“ strukturieren die Rezepte sinnvoll und mit einem klaren Augenzwinkern. Die Benennung der einzelnen Rezepte bzw. der Gerichte orientiert sich an seinem Spiel-Original, weshalb innerhalb des Inhaltsverzeichnisses auch nicht direkt ersichtlich ist, was sich hinter dem Namen verbirgt (z.B. Kerkerfraß (Erbseneintopf) oder Skelettbrühe (Rindfleischbrühe))
Besonders hervorzuheben ist die detailverliebte Gestaltung – die Fotos sind stimmungsvoll und jedes Gericht wurde tatsächlich gekocht und fotografiert. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn viele Kochbücher greifen mittlerweile auf Stockfotos zurück. Hier wurde jedes Rezept inszeniert, und das merkt man. Die fleischlastige Ausrichtung passt perfekt zur rauen Spielwelt, auch wenn Vegetarier hier weniger fündig werden. Ein Beispiel dafür ist das „Guhlasch“ auf Seite 48, das ich selbst nachgekocht habe. Obwohl ich mich frage, ob auf dem Bild Pilze zu sehen sind, die im Rezept nicht aufgeführt sind, war das Ergebnis dennoch köstlich. Der Geschmack war intensiv und würzig, wenn auch etwas kümmelbetont. Als Beilage habe ich die „Golemknödel“ von Seite 83 probiert. Diese sind äußerst gehaltvoll und meiner Meinung nach reicht die Hälfte der angegebenen Menge an Speck und Kaminwurzen völlig aus, um den Geschmack perfekt abzurunden.
Ein Punkt, der gelegentlich kritisiert wird, ist die Zutatenliste – manche empfinden sie als zu umfangreich oder zu speziell. Ich finde jedoch, dass sich die meisten Zutaten problemlos beschaffen lassen. Kaminwurzen etwa sind in vielen Supermärkten erhältlich, und dank Internet lassen sich unbekannte Zutaten schnell recherchieren. Insgesamt sind die Rezepte zwar zahlreich, aber keineswegs utopisch kompliziert. Wer sich auf das Buch einlässt, wird belohnt mit einem Kocherlebnis, das nicht nur den Magen, sondern auch das Fanherz wärmt.
Fazit
„Gothic: Das offizielle Kochbuch“ ist eine gelungene Erweiterung für jedes Bücherregal eines Gothic-Fans. Es fängt die raue, urige Stimmung der Spiele perfekt ein und bietet gleichzeitig Rezepte, die sowohl optisch als auch geschmacklich überzeugen. Mein Highlight war das Nachkochen des „Guhlasch“ mit den „Golemknödeln“ – ein echtes Geschmackserlebnis. Trotz winziger Mängel, die aber im Auge des Betrachters liegen, beeindruckt das Buch durch seine liebevolle Gestaltung, die Nähe zum Gothic-Universum und die praktischen, aber kreativen Rezepte. Es ist kein reines Fanprodukt, sondern ein Kochbuch mit Herz, Humor und handwerklichem Anspruch. Eine klare Empfehlung für alle, die die Welt von Gothic einmal mit Messer und Gabel erkunden wollen und dabei vielleicht sogar neue Lieblingsgerichte entdecken. Ich persönlich vermute jedoch, dass Veganer und Vegetarier wenig mit den sehr fleischhaltigen Gerichten anfangen können.