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verfluchterErbe

Heather Atkinson

Der verfluchte Erbe

Ein atmosphärischer Mystery-Krimi im viktorianischen Schottland

Band 2 (Geheimnisse von Alardyce House)

Covergestaltung von: ArtC.ore / Wildly @ Slow Photography / Adobe Firefly (Christin Peulecke)
Originaltitel: The Cursed Heir | Übersetzt von: Katja Fischer
db Verlag (2025)  | 425 Seiten | E-Book 4,99 €
Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Titels Schatten über Alardyce House.
ISBN (E-Book): 978-3-69090-208-3
Genre: Historischer Mystery-Krimi | Altersempfehlung: ab 16
Klappentext:

Er trägt das Böse in sich – doch ist sein Schicksal wirklich besiegelt?
Die aufregende viktorianische Mystery Reihe geht weiter

Edinburgh, 1896. Im altehrwürdigen Alardyce House herrscht Feststimmung: Robert, der junge Erbe, hat sich mit seiner Jugendliebe verlobt. Doch hinter den festlich erleuchteten Fenstern beginnt das Dunkle zu erwachen. Roberts leiblicher Vater war kein gewöhnlicher Mann – er war ein Dämon, und nun, da Robert volljährig ist, zeigen sich erste Anzeichen eines gefährlichen Erbes.

Seine Mutter Amy spürt, dass etwas mit ihrem Sohn nicht stimmt. Beunruhigende Berichte über sein Verhalten häufen sich, die Fassade des charmanten jungen Mannes beginnt zu bröckeln. Während die Angst in Edinburgh wächst und selbst Roberts Stiefvater Henry zunehmend auf Distanz geht, klammert sich Amy verzweifelt an die Hoffnung, dass ihre Liebe stärker sein könnte als das Böse, das in ihrem Sohn erwacht. Doch die Zeit läuft ihr davon – und das uralte Vermächtnis der Alardyces fordert seinen Preis …

Transparenzhinweis: Diese Rezension basiert auf einem kostenlos zur Verfügung gestellten Leseexemplar als E-Book über digital-publishers.com

Kurzbewertung

Handlung & Spannung:

Idee & Originalität:

Cover & Aufmachung:

Charaktere & Entwicklung:

Schreibstil & Sprache:

Gesamtbewertung:

Mit Der verfluchte Erbe, dem zweiten Band der Reihe „Geheimnisse von Alardyce House“, kehrt Heather Atkinson in das nebelverhangene Edinburgh des Jahres 1896 zurück und vertieft die düstere Chronik der Familie Alardyce in der nächsten Generation. Der Roman entfaltet sich als psychologisch dichter, historischer Kriminalfall, in dem das titelgebende „dämonische Bluterbe“ als Metapher für die vererbte, sadistische Veranlagung und die psychologischen Abgründe dient, der hinter der viktorianischen Familien-Fassade lauert. Atkinson lotet die Grenzen zwischen Menschlichkeit und Monster, zwischen Liebe und Verdammnis aus.

 

Viktorianisches Schottland

Einer der unbestreitbaren Höhepunkte dieses Bandes ist die detailreiche Darstellung des viktorianischen Schottlands. Edinburgh, ohnehin eine Stadt, deren architektonische Schönheit und neblige Gassen prädestiniert Erzählungen sind, wird zur perfekt inszenierten Kulisse für das Familiendrama der Alardyces. Atkinson nutzt die gesellschaftlichen Konventionen der Ära – die erstickende Bedeutung von Heirat, Status und Familienruf – als zusätzlichen Spannungsgenerator. Die Autorin schafft eine Dichte, die den Leser förmlich in die feuchte Kälte des schottischen Winters und die stickige Luft familiärer Geheimnisse hineinzieht. Die Übersetzerin Katja Fischer trägt durch eine stilvolle und präzise Sprache dazu bei, dass dieser dunkle Ton und die historische Authentizität in der deutschen Ausgabe zur Geltung kommen.

 

Roberts tragisches Schicksal und die Liebe seiner Mutter

Im Zentrum der Geschichte steht Robert, der junge Erbe, der an der Schwelle zum Erwachsenenalter steht und gleichzeitig an der Schwelle zu einer furchteinflößenden Transformation. Sein leiblicher Vater war Teil einer verdorbenen Blutlinie, und nun beginnt die dunkle Macht dieses Erbes, Roberts Wesen von innen heraus zu zersetzen. Seine Verwandlung ist nicht nur ein mysteriöser Plot-Punkt, sondern eine tief psychologische Auseinandersetzung mit den Themen Vererbung, Schicksal und freier Wille. Die Autorin vermittelt eindrücklich, wie das Böse nicht als plötzlicher Blitz, sondern als schleichender Verfall beginnt: Roberts charmante Fassade bekommt Risse, seine Handlungen werden unberechenbar, die feinen Nuancen seiner Persönlichkeit verschwinden hinter einer wachsenden, kalten Gleichgültigkeit. Darüber hinaus fällt Robert immer wieder in manipulative Muster zurück, wobei er seine Mutter Amy durch theatralische Schuldzuweisungen und gespieltes Mitleid gezielt emotional unter Druck setzt. Das Grauen resultiert nicht aus dem, was Robert tut, sondern aus dem, was er zu verlieren droht: seine Seele, seine Menschlichkeit und seine Jugendliebe.

Als Gegenpol zu Roberts beginnender Verdammnis dient seine Mutter Amy. Sie ist der emotionale Anker und die zentrale Perspektive, durch die die Leser das Geschehen erleben. Amys verzweifelter Kampf, das Böse in ihrem Sohn durch ihre mütterliche Liebe zu besiegen, ist der Motor der Erzählung. Atkinson vermeidet es glücklicherweise, Amy zu einer bloßen, leidenden Mutterfigur zu degradieren. Sie ist eine vielschichtige Frau, deren Entschlossenheit aus tiefstem Schmerz geboren wird (vgl. Band 1 der Reihe). Die Frage, wie weit eine Mutter geht, um ihr Kind zu retten, selbst wenn das Kind zur Bedrohung wird, wird hier auf eindringliche Weise behandelt.

 

Erzähltempo und Struktur

Ich muss gestehen, das Erzähltempo des Romans empfand ich als zwiespältig. Atkinson nimmt sich viel Zeit, um das Fundament der Geschichte zu legen, weshalb sich die ersten 25 Prozent des Buches für Leser, die sofortige Action suchen, etwas ziehen können. Diese bewusste Langsamkeit hat aber einen doppelten Zweck, den ich durchaus verstehe: Erstens dient sie als gründliche Wiederholung von Band 1, sodass auch Neuleser einen direkten Zugang finden. Zweitens nutzt die Autorin diesen ausgedehnten, gemächlichen Auftakt, um die unheilvolle Atmosphäre langsam aufzubauen.

Allerdings zeigt sich für mich hier auch eine strukturelle Schwäche: Die Handlung neigt dazu, einem wiederkehrenden, zyklischen Muster zu folgen. Roberts „Verwandlung“ löst ein erschreckendes Ereignis aus, die Familie reagiert, nur um die Konsequenzen im nächsten Moment wieder aufzuheben und ihm zu vergeben. Dieses wiederholte Muster der Eskalation und der schnellen, unbegründeten Versöhnung, durch die Konsequenzen oft verpuffen, minderte meiner Meinung nach die narrative Glaubwürdigkeit.

 

Fazit: Für Fans des atmosphärischen Schreckens

Wer sich gerne in einer detailreichen historischen Welt verliert und die langsame, unaufhaltsame Entfaltung eines Familiendramas dem schnellen Adrenalin-Kick vorzieht, wird in Alardyce House genau das finden, wonach er sucht: Ein starker und emotional aufgeladener Band, der das Alptraum-Erbe der Alardyces mit Stil weitererzählt und absolut empfehlenswert für alle Liebhaber von Geschichten mit Tiefgang.

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