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felidae
Eigenes Foto als Muster - Coverfoto von Pictor / Uniphoto

Akif Pirinçci

Felidae

Katzenkrimi / Roman

Wilhelm Goldmann Verlag (1989) [Heute: Goldmann Verlag]
ISBN: keine aktuelle Veröffentlichung / Ausgabe verfügbar, die ISBN des Buches vom Cover ist 3-442-13110-3 (und hat noch eine DM-Preisangabe … )
Genre: Katzenkrimi, Thriller, Horror | Altersempfehlung: ab 16
Klappentext:

Felidae – der Katzenkrimi: Als Francis, der samtpfotige Klugscheißer, in seinem neuen Revier auf einen grausam zugerichteten toten Artgenossen stößt, ist ihm klar, dass hier sein Intelligenzquotient gefordert ist. So rollt sich vor dem Leser mit katzenartiger Geschwindigkeit eine Geschichte von atemberaubender Spannung auf: Eine Tierfabel, die in einem spannenden und furiosen Finale menschlich-moralischer Abgründe enthüllt. (Klappentext Goldmann 4/2000)

Transparenzhinweis: Diese Rezension basiert auf einer Ausgabe von 1993, Neuauflage als Taschenbuch im Jahr 2000)

Kurzbewertung

Handlung & Spannung:

Idee & Originalität:

Cover & Aufmachung:

Charaktere & Entwicklung:

Schreibstil & Sprache:

Gesamtbewertung:

Felidae, der 1989 erschienene Debütroman von Akif Pirinçci, ist ein Kriminal-Katzen-Roman, der eine Mordserie aus der ungewöhnlichen Perspektive eines Katers erzählt. Während der Leser aus der Ich-Perspektive des Protagonisten Francis in die Gedankenwelt des Katers eintauchen, nutzt der Autor das Setting, um grundlegende Fragen über Ideologie, Ethik und die Abgründe der Gesellschaft zu behandeln.

Mein eigentlicher Anstoß für diese Rezension ist die aktuelle Verfügbarkeit der Verfilmung kostenfrei auf einem Streaming-Portal. Schon als ich damals den Film das erste Mal gesehen habe, war es die dunkle und brutale Atmosphäre, die mich fasziniert und auch irgendwie verstört hat. Folglich gehöre ich zu denen, die zuerst den Film kannten und dann sehr viel später erst das Buch gelesen habe. Wobei dieses Buch auch ein Geschenk aus einem Buchfundus war und ich es nicht liegen lassen konnte. Leider gibt es aktuell keine neue Auflage (Stand November 2025)

 

Inhalt (spoilerfrei)

Der Protagonist ist Francis, ein Kater, dessen Perspektive uns durch die Geschichte führt. Francis ist intelligent, ein nüchterner Beobachter, Klugscheißer und Hobbydetektiv. Nachdem er mit seinem Besitzer in ein neues Wohnviertel gezogen ist, wird er sofort mit einer Serie brutaler Katzenmorde konfrontiert.

Die Handlung spielt hauptsächlich in der verborgenen Welt der Katzen. Diese Welt ist in ihrer sozialen Organisation (mit Revieren, Hierarchien und eigenen Glaubenssystemen) ein düsteres Spiegelbild unserer menschlichen Gesellschaft. Francis‘ analytischer Verstand gerät schnell in Konflikt mit der Brutalität und den verirrten Ideologien dieses neuen Reviers.

Die Aufklärung der Mordserie ist der zentrale Antrieb der Handlung. Sie zwingt Francis zur Zusammenarbeit mit zwielichtigen Figuren wie dem entstellten Blaubart. Die Suche nach dem Täter ist dabei eng verknüpft mit der Aufdeckung einer verborgenen Geschichte des Viertels, die von Experimenten und einem kollektiven Trauma der Katzen geprägt ist. Man merkt schnell, dass es sich hier nicht um einen einfachen Krimi handelt, sondern um die Aufarbeitung in einer verdrängten Vergangenheit.

 

Inhaltsanalyse (mit Spoilern)

Die Mörderjagd in Felidae entwickelt sich zu einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit drei Hauptthemen: Ideologie/Fanatismus, Ethik in der Wissenschaft und die Natur von Gut und Böse.

  1. Die Kritik am religiösen Fanatismus (Die Claudandus-Sekte)

Pirinçci nutzt die Claudandus-Sekte als Mittel, um religiösen Fanatismus und Manipulation zu kritisieren. Diese Gemeinschaft verehrt den mysteriösen Claudandus, der angeblich von Menschen gequält und getötet wurde. Der Anführer Joker und der „Totenwächter“ Jesaja verbreiten eine Lehre, die das kollektive Leid der Katzen gezielt ausnutzt. Die Sekte zeigt, wie organisierte Ideologie in sozialen Gruppen Fuß fassen kann. Francis‘ rationaler und zynischer Blick auf diesen Glauben kritisiert die Bereitschaft, Fakten für eine tröstliche oder mächtige Lüge zu ignorieren. 

  1. Der Missbrauch der Wissenschaft (Preterius und Pascal)

Die tiefgreifendste Kritik liegt in der Verbindung der Morde mit den Tierversuchen im Labor von Professor Preterius. Die Morde sind eine direkte Folge eines von Menschen verursachten Traumas. Der Täter, Pascal (der ursprüngliche Claudandus), ist das tragische Opfer der Experimente. Seine Rache und seine Besessenheit entstehen aus tiefem Schmerz und einem falsch angewandten Wissen. Nachdem er Preterius getötet hat, eignet er sich die Erbregeln Gregor Mendels an. Pascals Ziel, eine perfekte, undomestizierte Katzenrasse zu züchten (die Felidae), ist eine direkte Parallele auf wissenschaftliche Bestrebungen ohne moralische Grenzen. Pascal handelt bei der Verfolgung seines Ziels kaltblütig: Er tötet die „verunreinigten“ und domestizierten Katzen, um seine reine Felidae zu erschaffen. Er handelt logisch, aber moralisch zutiefst verwerflich. Ebenso spielt das Thema der gezielten Zucht eine wichtige Rolle.

Die Frage der Verantwortung: Das Buch stellt die komplexe Frage nach der Schuld: Trägt Pascal als Opfer der Forschung die alleinige moralische Verantwortung für seine Taten, oder liegt die tiefere Schuld bei der menschlichen Arroganz und einer Wissenschaft ohne Gewissen?

  1. Francis und Blaubart

Die Beziehung zwischen Francis und Blaubart ist für die thematische Tiefe des Romans von zentraler Bedeutung. Francis‘ Rolle ist die des Verstandes: Er ist der Denker, der Beobachter und Zyniker. Er löst den Fall nicht durch Instinkt, sondern durch Logik, Kombinationsgabe und die Analyse von Hinweisen. Blaubart hingegen übernimmt die emotionale Rolle durch sein Trauma und die Erfahrung. Er ist körperlich und emotional durch die grausamen Experimente von Professor Preterius gezeichnet und repräsentiert den Überlebenden im Labor. Er liefert Francis das notwendige Insiderwissen über die Hintergründe der Morde und die Vergangenheit des Reviers. Die Partnerschaft dieser beiden Figuren ist funktional: Francis kann zwar die Logik des Täters verstehen, ihm fehlt aber der emotionale Zugang. Blaubart lebt dieses Trauma, kann es aber allein nicht systematisch aufklären. Ihre Zusammenarbeit zeigt, dass man sowohl intellektuelles Verständnis als auch empathische Erfahrung braucht, um die Wahrheit vollständig zu erfassen.

 

Meine Meinung

Pirinçcis Schreibstil ist direkt, präzise und klar. Er vermeidet überladene Sprache, nutzt aber Francis‘ innere Monologe für philosophische Exkurse. Das Buch ist dadurch geistig fordernd beim Lesen. Die Sprache vermittelt eine düstere, fast beklemmende Atmosphäre, die für diesen Roman notwendig ist. (Hinweis: Beim Lesen sollte auch im Hinterkopf bleiben, von wann das Buch ursprünglich stammt, was gewisse Formulierungen betrifft. Aber immerhin können wir uns sicher sein, dass dort keine KI am Werk war.)

Die Charaktere wirken in ihrem eigenen Universum sehr glaubwürdig. Francis ist kein typischer Sympathieträger, sondern ein zynischer Denker und absoluter Klugscheißer, der die Leser eher durch seinen Scharfsinn als durch emotionale Wärme fesselt. Die emotionale Tiefe kommt oft durch die Nebenfiguren (z. B. Blaubart, Felicitas) zum Ausdruck, die das Leid und die Angst im Revier greifbar machen.

Die Handlung ist solide konstruiert und hält die Spannung durch die schrittweise Enthüllung der komplexen Zusammenhänge aufrecht. Die Originalität des Werks liegt in der konsequenten Verknüpfung des Tiermotivs mit anspruchsvollen Themen wie Bioethik und politischem Fanatismus. Ein besonderes Merkmal, das die Seriosität des Romans unterstreicht, ist die sorgfältige Recherche des Autors. Im gesamten Text finden sich Vermerke, die auf den Anhang verweisen. Dort liefert der Autor kurze, fundierte Erklärungen zu spezifischen Eigenschaften und Verhaltensweisen von Katzen. Diese Informationen, basierend auf der Recherche aus diversen Fachbüchen, sind prägnant zusammengefasst und erklären katzenspezifische Eigenheiten wie „Flehmen“, den Katerpenis oder den Putzfimmel. Diese Verbindung von Fiktion und belegtem Fachwissen zeigt Pirinçcis Anspruch, das Setting realistisch zu untermauern.

 

Fazit

Felidae ist auch nach all den Jahren perfekt für Leser, die intelligente Kriminalromane und Thriller mögen, die zusätzlich eine tiefgehende gesellschaftskritische oder philosophische Ebene bieten. Es ist kein Buch für leichte Unterhaltung. Aufgrund der expliziten und grafischen Gewaltdarstellung sowie der inhaltlichen Komplexität ist die Altersempfehlung 16+ als angemessen zu betrachten, auch wenn es sich hierbei um meine persönliche Meinung handelt.

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